Vorstellung

Messer-Designer Jonathan Shaw: Selbst gemacht

Mit 14 Jahren entwirft Johnathan Shaw seine ersten Messer. Fünf Jahre später hat er seine eigene Marke und verkauft Designs an namhafte Hersteller. Foto: Kansept Knives

Der wohl größte Vorteil der Messermacherszene dürfte wohl sein, dass die Einstiegshürden vergleichsweise niedrig sind. Immer wieder sehen wir Quereinsteiger, die in ihrer beruflichen Karriere jahrelang, teilweise jahrzehntelang nicht mit Messern gearbeitet haben, sich aber im Laufe des Lebens dazu entscheiden, ihrer Leidenschaft auch außerhalb ihrer Freizeit nachzugehen und das erste eigene Messer zu gestalten.

Das kann bereits im Erwachsenenalter, aber natürlich auch bereits in der Kindheit und Jugend eintreten. So oder zumindest so ähnlich ist es beim erst 19-jährigen Kanadier Johnathan Shaw geschehen, der bereits in jungen Jahren ein großes Interesse an Messern und Werkzeugen hatte.

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Designer Johnathan Shaw zeichnete bereits mit 14 Jahren auf dem Segelboot seiner Familie seine ersten Messer. Foto: @triple.stripe.knives / Instagram

Erste Zeichnungen auf einer Segelboot-Überfahrt mit seiner Familie

Aufgewachsen ist Shaw laut eigener Aussage mit seiner Familie auf einem Segelboot, mit welchem sie im Südpazifik gereist sind und 14 Länder besucht sowie über 36.000 Seemeilen zurückgelegt haben. „Das war meine ganze Welt, bis wir im November 2019 nach Kanada zurückkehrten, damit meine Schwester und ich eine Highschool-Ausbildung erhalten und das Leben in der „realen Welt“ erleben konnten“, berichtet er.

Bereits Mitte 2019 fing er an, während einer Überfahrt von den Marshallinseln zu den Aleuten in Alaska Messer zu zeichnen: „28 Tage auf hoher See gaben mir viel Zeit, mit einem Skizzenbuch zu sitzen.“ Und so begann mit nur 14 Jahren seine Karriere als Messermacher.

Anfang Januar 2020, also praktisch mit dem Start der Corona-Pandemie, wurde aus seinen Zeichnungen erstmals Realität. Innerhalb weniger Wochen fertigte er seine ersten Prototypen und teilte seine Fortschritte laufend auf Instagram.

Gerade in der Anfangszeit profitierte er von der Zusammenarbeit mit dem in Salt Spring Island ansässigen Messermacher Seth Burton, welcher unter dem Namen Cosmo Knives ebenfalls eigene Designs anbietet. „Ich war heute Morgen in Salt Spring und habe den großartigen Seth von @cosmoknives besucht. Er hat mein #tskdakken in #nitrov wärmebehandelt, als Gegenleistung dafür, dass ich ihm im Laden geholfen habe. Er hat einen tollen Laden. Ich durfte zum ersten Mal einen Flachschleifer benutzen und habe ein paar coole Holzperlen aus Holzmaser hergestellt, die er selbst stabilisiert hat. Er hat auch einen Rockwell-Härteprüfer, was wirklich cool ist“, schrieb Shaw über seine erste Begegnung mit Burton im Mai 2020.

Erste Erfolge und Niederschläge

Mit seiner Marke Triple Stripe Knives konnte er sich bereits nach kurzer Zeit über seinen Social-Media-Auftritt einen Namen machen und in den darauffolgenden Monaten bereits seine ausgereiften Custom-Messer in Kleinauflagen an erste Interessenten verkaufen. Seine vier Lizard-Modelle, die im November 2021 angeboten wurden, waren laut eigener Aussage nach nur 25 Sekunden ausverkauft.

Shaw zeigt seine Fortschritte auf seinem Instagram-Kanal. Hier zu sehen ist sein erstes Klappmesser aus dem Jahr 2020. Foto: @triple.stripe.knives / Instagram

Doch Shaw musste auch Rückschläge hinnehmen, beispielsweise wenn ihn seine Maschinen im Stich gelassen hatten. Im Mai 2022 schrieb er in einem Instagram-Post: „Mein Schleifgerät ist gestern kaputt gegangen, diesmal für länger als sonst, also werde ich etwa eine Woche lang nicht im Laden sein, bis ich das Teil bekommen habe, um es zu reparieren. Das bedeutet für euch, dass sich alle Messer, an denen ich arbeite, stark verzögern werden und ich auch nicht so viel Material wie sonst posten kann.“ Nicht einmal eine Woche danach konnte er aber bereits weiterarbeiten.

Custom-Design wird zur Crowdfunding-Aktion

Aufgrund seiner Fortschritte und seiner weiter anwachsenden Bekanntheit, unter anderem auch durch seinen eigenen Stand auf der US-amerikanischen Messermesse BLADE Show, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich der erste namhafte Hersteller bei Johnathan meldete und eines seiner Messer in Serienproduktion fertigen wollte. In seinem Fall war es Artisan Cutlery, denn in der Fabrik im chinesischen Yangjiang interessierte man sich offenbar sehr für sein Boa-Modell.

Die Kickstarter-Kampagne von Shaws erstem Serienmesser erreichte ihr Ziel innerhalb von nur drei Minuten.

Um die tatsächliche Nachfrage nach dem ersten Serienmesser von Shaw abstecken zu können, erstellte Artisan Cutlery für das Boa eine Kickstarter-Kampagne, welche die Produktion finanzieren sollte. Für vier Varianten konnten Vorbestellungen getätigt werden, und bei zufriedenstellenden Zahlen würde das Messer schließlich in Produktion gehen.

Und das funktionierte auf Anhieb: 426 Unterstützer trugen insgesamt über 135.000 US-Dollar bei und sorgten dafür, dass das ursprüngliche Kampagnenziel bereits nach gerade einmal drei Minuten geknackt wurde. Im Juli dieses Jahres veröffentlichte man mit dem Prime schließlich ein weiteres Shaw-Design. Hierbei wurde aber auf ein weiteres Crowdfunding verzichtet, das Messer ging auch aufgrund des Erfolges des Boa ohne Umwege und Wartezeiten in Serienproduktion.

Auch Kansept zeigt schnell Interesse

Mittlerweile wurde man auch beim ebenfalls in Yangjiang ansässigen Hersteller Kansept Knives auf das junge Talent aus Kanada aufmerksam und brachte im Sommer mit dem Link ebenfalls ein Custom Design auf den Weltmarkt. Und auch hier scheint man direkt einen Treffer gelandet zu haben, denn bereits wenige Wochen später wurde Anfang November mit dem Osprey ein weiteres Shaw-Messer angekündigt.

Das Osprey stellt nach dem Link die zweite Zusammenarbeit zwischen Johnathan Shaw und Kansept Knives dar. Foto: Kansept Knives

„Das Osprey wurde so konzipiert, dass es die beste Leistung auf kleinstem Format bietet“, beschreibt Kansept das Messer. Und tatsächlich ist das 14 Zentimeter lange Taschenmesser ein echtes Kraftpaket. Es kommt mit einer Klinge aus hochwertigem CPM-S35VN oder Damaststahl in Wharncliffe-Form.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die gesamte Länge der Klinge kann als Schneidfaser genutzt werden und selbst wenn der Stahl etwas stumpf wird, lässt sich mit der Spitze noch einige Zeit weiterarbeiten. Damit geht nicht nur das Öffnen von Kartons mühelos von der Hand.

Allerdings ist das Nachschärfen solcher Wharncliffe-Klingen aufgrund ihrer geschwungenen Form auch etwas schwerer. Gerade Anfänger sollten ihr Messer daher vielleicht beim lokalen Messerladen nachschärfen lassen, um Fehler zu vermeiden. Dank des schnitthaltigen Stahls braucht man sich über das Nachschärfen aber für einige Zeit keinerlei Gedanken machen.

Das Osprey kann lässt sich über das Daumenloch oder den Frontflipper einhändig öffnen und wird anschließend von einem robusten Framelock verriegelt. Dank der Keramikkugellager ist das Messer angenehm leichtgängig und lässt sich mühelos öffnen und schließen.

Vier Varianten für unter 200 Euro

Der Griff besteht aus Titan, welches in der Premium-Variante zusätzlich anodisiert wurde, und liegt dank der ergonomischen Form angenehm in der Hand, ohne Druckpunkte auf der Handinnenseite zu verursachen. Bei der Farbgebung wagt Kansept keine großen Experimente und setzt auf klassisches Silber, Schwarz oder Blau.

Auch ein Taschenclip in Tip-Up-Position ist mit dabei, allerdings lässt sich dieser nicht umsetzen und kann somit nur rechtsseitig angebracht werden, was für Linkshänder natürlich nicht optimal, aber in Anbetracht des Gesamtpaketes sicher zu verschmerzen ist. Mit weit unter 200 Euro erhält man mit dem Kansept Osprey ein hochwertig verarbeitetes Alltagsmesser mit modernen Materialien und einer wirklich tollen Entstehungsgeschichte.

Eine Pause, kein Abschied

Jonathan Shaw selbst bezeichnet sich mittlerweile übrigens als „Messermacher im Ruhestand“, da er mittlerweile eine Grundausbildung als Pionieroffizier bei den kanadischen Streitkräften angefangen hat. Dies zwang ihn, seinen Laden zu schließen und seine Leidenschaft vorübergehend, laut eigener Aussage für „mindestens vier Jahre“, zu pausieren.

In einem weiteren Instagram-Post schreibt er dazu: „Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich auf diesem Weg unterstützt und mir ermöglicht haben, etwas zu tun, das ich liebe. Von der ständigen Unterstützung (und anfangs auch den Darlehen) meiner Eltern über die Lehrer in der Werkstatt, die mir in der Schule das Herstellen von Messern ermöglichten, bis hin zu Seth, der mich in seinen Laden ließ und mich unterrichtete, und schließlich all den Menschen, die mich über Instagram ermutigt und unterstützt haben, selbst als ich noch ein 14-jähriger Junge war, der keine Ahnung hatte, was er tat. Ihr alle habt mein Leben zum Besseren verändert, und ich bin außerordentlich dankbar dafür.“

Doch er versichert, dass es sich nur um eine Pause handelt. „Es ist also kein Abschied. Es ist einfach ein ‚bis zum nächsten Mal‘."

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